Albert-Lempp-Saal

Von der Turnhalle zur »Notkirche«, von der »Notkirche« zum großen Saal des Gemeindezentrums: Der »Albert-Lempp-Saal« der evangelischen Kreuzkirchengemeinde hat eine bewegte Geschichte.

Innenansicht des Albert-Lempp-Saals im Gemeindezentrum der evangelischen Kreuzkirchengemeinde München-Schwabing (2009). Foto: Günter Muy.

Innenansicht des Albert-Lempp-Saals im Gemeindezentrum der evangelischen Kreuzkirchengemeinde München-Schwabing (2009). Foto: Günter Muy.

Wer nicht genauer hinschaut, dem entgeht, dass das in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Gemeindehaus der evangelisch-lutherischen Kreuzkirchengemeinde im Westen des Münchner Stadtteils Schwabing auf eine bewegte Geschichte zurückblickt.

1932 wurde an dieser Stelle die Turnhalle der später von den Nationalsozialisten verbotenen evangelischen Hermann-Bezzel-Schule erbaut. Im Juli 1944, als auch die erste hölzerne Kreuzkirche bei einem Bombenangriff ein Raub der Flammen wurde, wurde die Turnhalle bis auf die Grundmauern zerstört. Eine ausgediente Schweizer Militärbaracke diente ab 1946 als Ersatzkirchlein für die nach Schwabing strömenden Menschenmengen – und platzte bald aus allen Nähten. Mit einer großzügigen Spende lutherischer Kirchen in den USA im Rücken ging die Gemeinde deshalb umgehend an den Neubau einer Kirche.

Zwei Kreuzkirchen nebeneinander: Am Ort der heutigen Kreuzkirche steht 1950 noch die Schweizer Militärbaracke, die als Notkirche diente - daneben die am 16. April 1950 eingeweihte »Bartning-Notkirche«. Im Hintergrund ist das Pfarrhaus mit notdürftig repariertem Dachstuhl zu sehen.

Zwei Kreuzkirchen nebeneinander: Am Ort der heutigen Kreuzkirche steht 1950 noch die Schweizer Militärbaracke, die als Notkirche diente - daneben die am 16. April 1950 eingeweihte »Bartning-Notkirche«. Im Hintergrund ist das Pfarrhaus mit notdürftig repariertem Dachstuhl zu sehen.

Die neue, am 16. April 1950 eingeweihte »Notkirche«, wie man bemerkenswerterweise auch diesen strahlend weissen Neubau inmitten einer zu großen Teilen zerstörten und ausgebrannten Häuserlandschaft nannte, wurde die »stattlichste, die wir je besaßen«. Nach einem zigfach variierten Grundmodell des für seine Nachkriegs-»Flüchtlingskirchen« berühmten Architekten Otto Bartning wurde eine weitgespannte hohe Dachstuhlkonstruktion aus Holz auf die Grundmauern der ehemaligen Schulturnhalle gesetzt. Die Wandfelder um die Fenster wurden teils in Eigenarbeit der Gemeinde mit Baumaterial auch von den Ruinen zerstörter Häuser aufgefüllt, wie Gemeindeglieder zu erzählen wissen, die als Kinder zwischen dem Völkerballspiel auf der Gemeindewiese Ziegelsteine für die neue Kirche klopften oder sortierten.

Da durch Wiederaufbau und Neubau im Viertel binnen kurzem die Gemeindegliederzahl auf 15.000 anwuchs, konnte – zumindest zu bestimmten Anlässen wie Weihnachten oder Konfirmationen – auch die neue Kirche die Menschen bald nicht mehr fassen. Bereits acht Jahre nach der Einweihung, im Jahr 1958, ging man deshalb an einen Architektenwettbewerb zur Planung der neuen Kreuzkirche, die nach langem und mitunter sehr zähem Vorlauf schließlich am 29. September 1968 eingeweiht wurde.

Der Bau von 1950 wurde vom Architektenduo Theodor Steinhauser und Götz von Ranke zu einem Gemeindezentrum mit mehreren Gruppenräumen umgebaut. Das Prunkstück, der Raum der ehemaligen dritten Kreuzkirche selbst, wurde mit seiner nun vom Künstler Hubert Distler ausgestalteten hölzernen Dachkonstruktion zu einem münchenweit einzigartigen Gemeindesaal mit 250 Plätzen gestaltet. Seit dem Gemeinde-Doppeljubiläum 2008 – 75 Jahre Gemeindegründung, 40 Jahre Kirchenneubau – eröffnet ein »neuer« alter Bechstein-Flügel aus den 1920er-Jahren, der bereits zur Hälfte aus Spenden finanziert ist, der Gemeinde Kreuzkirche neue künstlerische und kommunikative Möglichkeiten.

Blick auf die Ostfassade der ersten Kreuzkirche. Sie wurde am 2. Advent 1930 im Beisein von Albert Lempp eingeweiht, der zu den treibenden Kräften bei der Gemeindeausgründung gehörte.

Blick auf die Ostfassade der ersten Kreuzkirche. Sie wurde am 2. Advent 1930 im Beisein von Albert Lempp eingeweiht, der zu den treibenden Kräften bei der Gemeindeausgründung gehörte.

Am 12. Februar 2009, dem Vorabend des 125. Geburtstages Albert Lempps, hat die Kreuzkirchengemeinde diesem Raum mit seiner bewegten Geschichte feierlich den Namen »Albert-Lempp-Saal« gegeben. Sie ehrt damit das Andenken an den Verleger und mutigen Christen Albert Lempp. Lempp ist nicht nur einer der »Gründerväter«, denen die Gemeinde ihr eigenstandige Existenz verdankt – in seinem Kreis entstand auch eines der deutlichsten und entschiedensten Worte aus dem Bereich des deutschen Protestantismus gegen den nationalsozialistischen Massenmord an den Juden. Diesem Vermächtnis fühlt sich die Gemeinde dankbar verpflichtet. (hg/ms)

Internet: Mehr zur evangelischen Kreuzkirchengemeinde München-Schwabing finden sie hier oder unter www.kreuzkirche-muenchen.de.